Was ist Gospel ?

Der Begriff 'Gospel' ist vermutlich eine verkürzte Morphose aus den Worten 'God' ('Gott' oder 'gut') und 'Spel' (veraltetes Englisch für 'Geschichte/Erzählung') und ist das englische Synonym für 'Evangelium'.
Evangelium - noch'n Fremdwort - leitet sich wiederum aus dem Griechischen ab und heißt 'Gute Botschaft' - wir kommen der Sache näher. Gemeint ist die Frohe Botschaft des Christentums.

Der Ursprung der Gospel-Musik läßt sich ungenau datieren auf etwa Mitte des 19. Jahrhunderts. Das erste Manifest dieser Musik erschien im Jahre 1874 mit der Veröffentlichung des Liederbuches 'Gospel Songs' von Philip Bliss in den Vereinigten Staaten, einem Gesangbuch, das bevorzugt bei Evangelisationsveranstaltungen Verwendung fand.

Im Zuge der großen christlichen Erweckungsbewegung im Amerika des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Kultur der 'Singing Conventions' die sich in der weißen wie auch der Afro-Amerikanischen Bevölkerung enormer Beliebtheit erfreuten und die bis in unsere Tage in großer Zahl abgehalten werden.
Für das gemeinschaftliche Singen auf diesen mehrtägigen Veranstaltungen wie auch für den regulären Gottesdienst wurde über die Jahrzehnte eine unüberschaubare Fülle von Hymnen und Liedern geschrieben aus denen sich sowohl die weiße als auch die schwarze Gospelmusik immer wieder bedient.

Die hierzulande häufig unter der Bezeichnung Gospel gehandelten 'Spirituals' stellen genau genommen ein eigenes Genre dar. Sie sind wesentlich älter als Gospels und haben ihren Ursprung in der Bewältigung der Sklaverei und Unterdrückung der Schwarzen und dem Wunsch nach Freiheit und Selbstbestimmung. Sie sind traditionelle Domäne der schwarzen Afro-Amerikanischen Bevölkerung und Teil ihrer Geschichte.

Was wir Europäer unter Gospel verstehen begann in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts. Namentlich der prominente Blues-Musiker Thomas A. Dorsey (bitte nicht verwechseln mit dem Bandleader Thommy Dorsey) wandte sich wieder seinen religiösen Wurzeln zu und öffnete die Gospelmusik dem Einfluß der säkularen Szene. Der Vortrag von religiösen Liedern unter Verwendung von Rhythm 'n' Blues- und Jazz-Elementen wurde von den Gemeinden zunächst inbrünstig abgelehnt, die Ergebnisse waren aber von so großer Attraktivität, daß sie sich nach und nach überall durchsetzten. Gospel entwickelte sich zu einem eigenständigen Stil der seinerseits die säkulare Musik beeinflußte.

Im Gospel lassen sich heute zwei große Strömungen unterscheiden. Zum einen der 'Black Gospel', der sich aller aktuellen Stilelemente vom Soul bis hin zum Hip-Hop bedient, zum anderen der mehrheitlich weiße 'Southern Gospel', der vor allem traditionelle amerikanische Kirchenmusik, insbesondere die außerordentlich beliebten Convention Songs, in den Stilen des Swing, Bluegrass und Country verarbeitet. Aber auch in die Rockmusik der 70'er und 80'er Jahre hat die christliche, religiöse Thematik Einzug gehalten und so bilden die 'Rocker' im Gospel inzwischen ebenfalls eine bedeutende Fraktion.

Allen Varianten des Gospel ist eins gemeinsam - es ist mitreißende Musik die Menschen mitnehmen will und ihnen vom Evangelium erzählt, der Existenz Jesu Christi und der Frohen Botschaft, daß sie frei sind !

(JR)
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Was heißt 'Jubilee Style' ?

Dieser Stil hat ein paar markante Eigenschaften, die ihn eindeutig erkennbar machen. Die Titel sind 4-stimmig und werden (urspünglich) a-capella gesungen. Die Stimmen sind möglichst eng gesetzt und mit einer durchgehenden Basslinie unterlegt. Der Lead-Singer übernimmt häufig die Rolle des Narrators (Erzählers), der, ähnlich einem Sprechgesang und mit den übrigen Stimmen unterlegt, die Strophen oder die Bridge vorträgt. Der Chorus wird vierstimmig gesungen.

Es wurde großer Wert auf einen möglichst homogenen Sound gelegt, was eine sorgfältige Auswahl der Sänger erforderlich machte. Dominierende Solistenstimmen sind deshalb in diesem Genre kaum anzutreffen.

Als erste Vertreter dieses Stils wird allenthalben das 'Fisk Jubilee Quartet' erwähnt, einem Männer-Quartet aus Studenten der Fisk University aus dem Jahr 1905.

In Europa wurde der Jubilee-Style vor allem durch den internationalen Erfolg des Golden Gate (Jubilee) Quartet in den 1940er und -50er Jahren einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Aber schon die in den -30er Jahren in Deutschland sehr populären Comedian Harmonists bedienten sich dieses sehr harmonischen Stiles.

(JR)
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Die Entstehung des Negro Spirituals
(Herzlichen Dank an die Wikipedia-Autoren)

Spiritualtexte sind fast ausschließlich religiösen Inhalts und erzählen von dem Leben geschlagener, geschundener und sehnsüchtiger Menschen, der Sklaven. Die Texte erzählen von der Hoffnung dieser Menschen und ihrem Glauben an Gott.

1619 trafen die ersten aus Afrika verschleppten Sklaven im US-amerikanischen Bundesstaat Virginia ein. Sie wurden auf den großen Tabak- und Baumwoll-Plantagen zu harter Zwangsarbeit eingesetzt, kleinste Vergehen wurden streng und brutal geahndet.

Die tiefe Verwurzelung der christlichen Kirche in der weißen Bevölkerung erklärt die Skrupel, Christen als Sklaven zu halten. So erklärt sich auch, warum niemand auch nur das geringste Interesse hatte diese Menschen zu missionieren. Man hätte sie nicht mehr als Sklaven halten und einsetzen können. Diesem "Dilemma" entkamen die Sklavenhalter durch ein Gesetz im Jahr 1667, welches festlegte, dass der Übertritt eines Sklaven zum Christentum an dessen sozialer Stellung nichts änderte.

Schon vor Verabschiedung dieses Gesetzes gingen die Schwarzen mit ihren Besitzern in die Gottesdienste der christlichen Kirchen. Die Gottesdienste der Methodisten und Baptisten kamen durch ihre bodenständige Art bei den Sklaven besonders gut an. Die Leidensgeschichte Jesu berührte sie zunehmend. Sie identifizierten sich damit und nutzten andererseits eine der wenigen ihnen erlaubten Ausdrucksmöglichkeiten, ihre Anliegen zu formulieren. Diese versteckten sie hinter christlichen Metaphern. Diese Doppeldeutigkeit der Sprache ist bis heute typisch für afroamerikanische Musikstile. Die Afrikaner brachten auch Einflüsse ihrer Heimatkulturen mit in die Musik: ihre Überlieferungen, ihren Mehrgottglauben und die religiöse Ekstase, aber auch musikalische Elemente wie die Polyrhythmik und andere Töne als die der europäischen Tonleiter ("Blue Notes").

So entstanden eigenständige schwarze Kirchen und die afrikanische Religiosität vermischte sich mit der christlichen Lehre. Da Musik, Tanz und Gesang untrennbar mit dem afrikanischen Alltag verbunden waren, wurden sie zu einem wichtigen Bestandteil der schwarzen Gottesdienste. In der rhythmischen Zwiesprache des Predigers mit der Gemeinde (call and response) entwickelten sich spontan Lieder, die einen Bibeltext als zentrales Element hatten. Die Spirituals wurden auch im Alltag gesungen. Sie entstanden in freier Improvisation und wurden mündlich überliefert.

Die Vielschichtigkeit der "corn ditties" (Mais-Liedchen), wie die frühen Spirituals im ausgehenden 18. Jahrhundert genannt wurden, lässt unterschiedliche Deutungen zu. Zum einen stehen Anspielungen auf die soziale Situation neben der Jenseitsgläubigkeit. Der Aufruf zum Protest steht neben der Sehnsucht nach Freiheit. Der Glaube an Jesus steht neben dem Bedürfnis nach einer Errettung aus der Sklaverei. Sobald die weiße Herrschaft Elemente der Spiritual als heidnisch erkannte, wurden diese verboten. So verschwanden der Tanz, die Fetische und Altäre. Auch das Trommeln war zumeist verboten, da die weißen Sklavenhalter darin eine Form der Konversation sahen, die sie nicht verstanden. So wurde es durch das bekannte Klatschen oder Stampfen ersetzt.

In den rund 250 Jahren der Sklaverei wurden etwa 10 Millionen Schwarze nach Amerika verschleppt. Die weißen Besitzer mussten häufig in Furcht vor einem Aufstand leben. Zwischen 1670 und 1865 gab es 130 bewaffnete Aufstände durch Sklaven, die aber weitgehend blutig niedergeschlagen wurden. Trotzdem ist anzunehmen, dass Fluchtgedanken immer präsent waren. Allerdings war der Weg aus dem Süden ins freie Kanada weit und beschwerlich. Ab 1838 organisierten Gegner der Sklaverei die "Underground Railroad" - einen Fluchtplan mit Schutzhäusern, Fluchthelfern und geheimen Kommunikationsmitteln, z.B verschiedenen versteckten Codes, z.B. auf den "Quilts" (oft kunstvoll dekorierte Flicken-Steppdecken) und in Gesängen. Diese teilten das Wann, Wo und Wie der organisierten Fluchten mit. Es wurde auch eine religiös kodierte Sprache entwickelt. So wurde das Gebiet ohne Sklaverei mit "my home", "Sweet Canaan" oder "the Promised Land" umschrieben. Dieses Gebiet lag auf der nördlichen Seite des Ohio River, den man in der verschlüsselten Sprache als "Jordan" bezeichnete. Die Flüchtlinge wateten durch das Wasser, um die Hunde der Verfolger abzuschütteln ("Wade in the Water"). In "Swing Low, Sweet Chariot" steht "Chariot" für den Großen Wagen, einen Teil des Sternzeichens Ursa Major (Großer Bär), das sich innerhalb eines Tages um den Polarstern herum dreht. Im Frühling, der wohl besten Zeit zur Flucht, ist kurz nach Sonnenuntergang der "Chariot" an seinem tiefsten Punkt und weist den Weg nach Norden. Berühmt wurde die 29-jährige geflohene Sklavin Harriet Tubman, die 1849 selber Fluchthelferin bei der "Underground Railroad" wurde. Ihr Codename war "Moses" - "Go down, Moses" war ihr Erkennungszeichen. Manche Spirituals waren auch ganz einfach ein Ruf nach Freiheit und Aufforderung zur Flucht ("Steal Away").

Eine typische Entstehungsgeschichte eines Spiritual, erzählt von einem unbekannten Schwarzen:

"Ich will Ihnen sagen, wie das geht. Mein Massa ruft mich zu ihm und sagt, dass meine Ration gekürzt wird, und ich kriege 100 Schläge mit der Lederpeitsche. Meine Freunde sehen das und haben Mitleid mit mir. Als sie an dem Abend zu unserem Treffen kommen, singen sie davon. Und manche gute Sänger sind dabei, die können das. Und sie bringen das rein, verstehen Sie, bringen das einfach rein, bis es richtig ist. Und dann singen die anderen mit, als wenn sie den Song schon lange kannten, aber sie haben ihn nie vorher gehört. So geht das!"

JRs Anmerkung:
Über das Spiritual ist unendlich viel geschrieben worden. Es ist zweifellos eine der bekanntesten Formen amerikanischer Musik und hat bedeutende Interpreten hervorgebracht.
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